Interview mit Corinne Cahen im Tageblatt

"Eltern sollten weniger arbeiten"

Interview: Tageblatt (Eric Rings)

Tageblatt: Nach der Reform 2016 sind die Anfragen für den zweiten "Congé parental", insbesondere bei den Vätern, kräftig gestiegen. Wie erklären Sie sich das?

Corinne Cahen: Ich glaube, wir brauchen ein wenig mehr Distanz, um die Zahlen noch genauer zu analysieren. Dennoch ist jetzt bereits klar, dass seit der Reform viel mehr Väter den Elternurlaub genommen haben. Das hat einerseits damit zu tun, dass man jetzt eine Entschädigung von bis zu circa 3.400 Euro monatlich ausgezahlt bekommt. Viele Väter entscheiden sich zudem für den flexiblen "Congé parental", zum Beispiel ein Tag pro Woche oder viermal einen Monat. Das vorherige Regime war ihnen wahrscheinlich zu rigide. Deshalb haben wir die Reform auch gemacht. Es ist ganz klar, dass diese zwei Sachen die Ursachen sind, wieso jetzt viel mehr Väter den "Congé parental" nehmen. Weil sie es sich nun sowohl zeitlich wie auch finanziell leisten können.

Tageblatt: Sind Sie zufrieden damit?

Corinne Cahen: Ich bin sehr zufrieden damit. Weil wir das erreicht haben, was wir wollten. Weil wir jetzt quasi die Fifty-Fifty-Quote erreicht haben. Wenn wir sehen, dass früher von den 100 Prozent Elternurlaub 75 Prozent von den Frauen genommen wurden, dann sind die Zahlen heute sehr gestiegen. Ich glaube, dass dadurch die Männer nun auch mehr Verantwortung zu Hause übernehmen, gegenüber den Kindern, und dass sich die Bindung zwischen den Vätern und den Kindern dadurch ganz klar verbessert.

Tageblatt: Gibt es Sachen, die man besser machen kann? Was ist bei dem Begutachtungsbericht herausgekommen?

Corinne Cahen: Da kam nicht wirklich etwas heraus. Das man hätte besser machen können, weil wir noch nicht genug Abstand haben. Da man den zweiten Elternurlaub nehmen kann, bis das Kind 6 Jahre alt ist, müssen wir nun abwarten, bis wir alle Väter von Kindern, die den neuen "Congé parental" beantragt haben, erfassen können. Wir sind sehr zufrieden, weil die regelmäßigen Umfragen, die wir bei den Eltern gemacht haben, uns ein extrem positives Feedback einbrachten. Die Reform wurde vor Ort gut akzeptiert.

Tageblatt: Was sagen die Arbeitgeber dazu?

Corinne Cahen: Das Liser ("Luxembourg Institute of Socio-Economic Research"; Anm. d. Red.) hat im Rahmen der "évaluation intermédiaire", also des Begutachtungsberichts, mit 18 Arbeitgebern gesprochen, die es nach bestimmten Kriterien ausgesucht hat. Das Institut hat gezielt Arbeitgeber kontaktiert, die wenige Anfragen für Elternurlaub hatten, um sie nach der Ursache zu fragen. Das ist eine qualitative und keine quantitative Umfrage, die auch nicht repräsentativ ist. Fazit ist, dass wir mehr in die Kommunikation stecken müssen und die Arbeitgeber mehr über ihre Rechte - sie haben welche - und Pflichten informieren müssen. Ich glaube, da müssen wir noch mehr tun.

Tageblatt: Wie kam es eigentlich zu der Idee für eine Reform des "Congé parental"? War das eher im Sinne einer Gleichberechtigung zwischen Vater und Mutter oder eher im Sinne von mehr Flexibilität für die Eltern, damit diese eine bessere Work-Life-Balance haben?

Corinne Cahen: Um ganz ehrlich zu sein, wenn Sie mich jetzt über die Entstehungsidee befragen, für die ich seit 2009 kämpfe - da war ich noch nicht einmal in der DP, sondern Mitglied in der "Chambre de commerce", wo ich mit zahlreichen Männern dasaß -, so nenne ich Ihnen den ersten Grund. Die Gleichberechtigung zwischen Müttern und Vätern bedeutet, dass die Väter auch ihre Verantwortung gegenüber den Kindern übernehmen. Wir sind der Meinung, dass junge Eltern, die beide berufstätig sind, ein bisschen weniger arbeiten sollten. Wir glauben, dass es besser ist, wenn jeder einen Fuß im Berufsleben behält, statt dass einer zu 100 Prozent arbeiten geht und der andere gar nicht mehr. Die Reform war auch, um den Frauen zu sagen: "Hört nicht auf, arbeiten zu gehen, wir geben euch Alternativen!" Im Rahmen der Work-Life-Balance-Direktive arbeiten wir zusammen mit Dan Kersch. Wir sagen den Frauen und Männern, sie sollten statt 100 Prozent eben nur 80 oder 70 Prozent arbeiten und in der Arbeitswelt bleiben, damit sie sich von niemandem finanziell abhängig machen.

Tageblatt: Wie lautet Ihr Fazit zur Reform?

Corinne Cahen: Eine Reform ist immer nur so gut, wie sie auf dem Terrain auch ankommt. Und diese ist gut angekommen.

Zum letzten Mal aktualisiert am