Corinne Cahen au sujet des défis en matière de politique familiale

"Alleinerzieher sind besonders armutgefährdet"

"Was die Sozialpolitik betrifft, so möchte ich das am Beispiel „Mammerent“ verdeutlichen (obwohl diese nur 75 Euro pro Monat beträgt und so etwas hochgespielt wird). Da wurde nie untersucht, wie die realen Bedürfnisse sind. Eine Frau, die nie arbeiten musste, weil ihr Mann einen gut bezahlten Job hatte, ist nicht auf die Mutterrente angewiesen. Es gibt aber andere Fälle, die das Geld nötiger haben, besonders junge Familien. Altersarmut ist in Luxemburg übrigens fast kein Thema."

Tageblatt: Eine erste Frage zum Bereich Integration: Die Kampagne, die Nicht-Luxemburger EU-Mitglieder dazu bewegen soll, sich hier an der Europawahl zu beteiligen, scheint nicht der große Renner zu sein. Die Begeisterung mancher Kommunen, sich an der Kampagne zu beteiligen, scheint sich in Grenzen zu halten.

Corinne Cahen: Bei der letzten Europawahl hatten wir eine Beteiligung von 11,5 Prozent EU-Ausländern. Wenn wir dieses Resultat toppen, bin ich zufrieden, dann geht die Entwicklung in die richtige Richtung. Noch habe ich keine Zahlen zu den Einschreibungen. Dieses Mal besteht ja auch erstmals die Möglichkeit, durch die doppelte Staatsbürgerschaft an der Europawahl teilzunehmen; diese Bürger müssen sich nicht einschreiben. Die ausländischen EU-Bürger können daneben ja in ihrem Herkunftsland wählen und erfahrungsgemäß schreiben die Interessenten sich ohnehin recht spät ein. Inklusion der Behinderten Vor zwei Wochen hatte die Stadt Luxemburg das Bürgerzentrum samstags geöffnet und da sind rund 100 Menschen vorbeigekommen; allerdings nicht ausschließlich wegen der Wahl. Auch andere Gemeinden haben sich an der Kampagne beteiligt. Die Europawahl ist nirgends der Brüller; es geht bei der Vorbereitung auf diese Wahl ja auch darum, dass EU-Bürger, die in Luxemburg leben, sich für das gesellschaftliche und politische Leben hier interessieren.

Tageblatt: Ein weiterer Aspekt der Integration ist die Behindertenpolitik. Hier wollen Sie, will die neue Regierung die entsprechende UNO-Konvention umsetzen und den nationalen Aktionsplan reformieren. Was wollen Sie konkret tun?

Corinne Cahen: Wir haben begonnen, daran zu arbeiten. Es geht vor allem um die Barrierefreiheit und damit ist nicht nur die physische gemeint. Ganz konkret werden wir als Erstes das Briefing nach dem Regierungsrat, das live gestreamt werden soll, in Gebärdensprache übersetzen. Die Zugänglichkeit von Dokumenten und Informationen gehört zu dieser Politik, aber auch die physische Barrierefreiheit natürlich, die allerdings nicht überall umzusetzen ist. So scheitern oft Pläne etwa an den Vorgaben von „Sites et monuments“, nicht jedes Haus kann aufgrund seiner Architektur behindertengerecht umgebaut werden. 'Infohandicap', das ich vergangene Woche besucht habe, bestätigt mir dies. Allerdings sollte bei Neubauten darauf geachtet werden, dass auch Rollstuhlfahrer sie nutzen können: Hierfür müssen wir sorgen. Die Inklusion ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Wir sollten keine Parallelgemeinschaften aufbauen; hierbei denke ich besonders an geistig Behinderte.

Tageblatt: Kommen wir zur Flüchtlingspolitik. Wie ist hier die Arbeitsaufteilung zwischen Familienministerium und dem Ministerium für Immigration und wie ist die aktuelle Situation?

Corinne Cahen: Wir stellen den notwendigen Wohnraum zur Verfügung; den Rest, Papiere, Genehmigungen usw. übernimmt das Ministerium von Jean Asselborn. Zurzeit ist die Lage eher ruhig; dies kann sich aber schnell ändern, es muss nur ein Pulverfass, das nicht zu weit entfernt ist, explodieren und die Situation wird wieder dramatischer. 2013 war nach den Jahren 2011 und 2012, als viele Flüchtlinge nach Luxemburg kamen, eher ruhig. Wenn die Betroffenen Papiere haben, dann vermitteln wir auch eine (zweite) Wohnung und kümmern uns um die Integration.

Tageblatt: Immer dann, wenn es einen Ansturm von Flüchtlingen gab, herrschten recht katastrophale Verhältnisse bei der Unterbringung. Ist das Land jetzt besser vorbereitet für solche Zeiten?

Corinne Cahen: Zurzeit haben wir eine Reserve, ohne allzu viel Werbung hierfür machen zu wollen.

Tageblatt: Als Familienministerin hatten Sie recht früh für Aufregung ge sorgt, Sie wurden u.a. vom ADR als Anti-Familienministerin bezeichnet.

Corinne Cahen: Das ist ein Kompliment, ich war froh darüber; ich teile die Ansichten des Herrn Kartheiser über die Familien nämlich nicht. Und es ist relativ lustig, dass er eine Sicht der klassischen Familie hat, die er offensichtlich nicht selbst vorleben kann.

Tageblatt: Was darf man sich denn unter einer selektiven Sozialpolitik, wie die Regierung sie angekündigt hat, vorstellen, auch in Bezug auf die Familien?

Corinne Cahen: Was die Sozialpolitik betrifft, so möchte ich das am Beispiel „Mammerent“ verdeutlichen (obwohl diese nur 75 Euro pro Monat beträgt und so etwas hochgespielt wird). Da wurde nie untersucht, wie die realen Bedürfnisse sind. Eine Frau, die nie arbeiten musste, weil ihr Mann einen gut bezahlten Job hatte, ist nicht auf die Mutterrente angewiesen. Es gibt aber andere Fälle, die das Geld nötiger haben, besonders junge Familien. Altersarmut ist in Luxemburg übrigens fast kein Thema. Wir haben außerdem den nationalen Solidaritätsfonds, der z.B. Zuschüsse zahlt, wenn die Betroffenen nicht den ganzen Preis in einem Altersheim finanzieren können. Das soziale Netz ist extrem stark gespannt und wir müssen aus dem Denkschema eines „Etat providence“ herauskommen, wo jeder meint, der Staat sei verantwortlich für alles. Es gibt Menschen, die am unteren Rand leben; besonders betroffen hiervon sind Alleinerzieher und dies insbesondere wegen der hohen Mieten. Wer mit einem Mindestlohn und einer Miete von 1.000 Euro über die Runden kommen muss, der hat Probleme. Diese Familien dürfen nicht weiter belastet werden.

Tageblatt: Vieles hängt also an den Mieten...

Corinne Cahen: Ja, das ist ein Problem in Luxemburg. Junge Menschen, die frisch von der Uni kommen und nicht von Eltern und Großeltern unterstützt werden, haben es wirklich schwer, sich zu etablieren."

Tageblatt: Sie machen zurzeit ein Inventar der Pflegeheime und der integrierten Zentren. Besteht ein solches Inventar denn nicht?

Corinne Cahen: Ich wollte einen Überblick bekommen; geografisch und im Verhältnis zur Bevölkerung. Es ist nicht alles klar in dem Bereich: Strikte Kriterien überdenken Muss etwa eine Person, die lange Jahre glücklich in einem integrierten Zentrum untergebracht war, tatsächlich in ein Pflegeheim wechseln, weil die Pflegedauer nun zwölfeinhalb Stunden überschreitet? Wir untersuchen diese Frage zurzeit gemeinsam mit der Sozialen Sicherheit, mit Romain Schneider. Ich habe quasi mit sämtlichen Trägern des Bereiches gesprochen. Es liegen einige Projekte für Neubauten in der Schublade und ehe wir diese umsetzen, wollen wir klarsehen, denn es geht um viel Geld.

Tageblatt: Vor einigen Jahren noch war die Situation in dem Bereich ja eher angespannt; es fehlten Betten. Wie präsentiert sich die Lage heute?

Corinne Cahen: Das war das Erste, was ich wissen wollte, als ich ins Ministerium kam und es ist recht schwierig, die Lage einzuschätzen. Es gibt überall Wartelisten, aber viele schreiben sich in mehreren Institutionen ein und oft muss bis auf Position 12, 13, 14... auf diesen Listen telefoniert werden, um einen wirklichen Interessenten für das freie Zimmer zu finden. Eine nationale Warteliste ist dabei utopisch. Eine ältere Schifflingerin will zum Beispiel nicht nach Clerf ins Altersheim. Im Moment gibt es keine Krisenstimmung. Auch kurzfristig ist es möglich, Zimmer zu finden. Es ist mittlerweile auch so und das ist nicht unwesentlich -, dass die Menschen erst ins Altersheim wollen, wenn sie nicht mehr alleine zurechtkommen. Die mittlere Aufenthaltsdauer in den Pflegeheimen liegt unter einem Jahr.

Tageblatt: Noch ein Wort zur Großregion, die ja auch in Ihren Zuständigkeitsbereich fällt.

Corinne Cahen: Da bin ich gerade dabei, die Leute und die Themen kennenzulernen. Mittlerweile habe ich erste Kontakte. Die Großregion ist eigentlich Neuland für mich. Wir Luxemburger leben die Großregion ja täglich und intensiv; für Deutschbelgier oder Wallonen ist die Großregion aber weit entfernt. Großregion bedeutet alles und nichts. Am konkretesten ist wohl die Transportfrage, weil diese viele Menschen berührt. Der Kampf gegen Cattenom ist allerdings leider immer noch ein Thema bei den entsprechenden Gipfeln. Es ist eine gute Möglichkeit, auf europäischer Ebene zu zeigen, wie Europa im Kleinen funktionieren kann.

Tageblatt: Ziel der Regierung ist es, in jedem Ministerium zehn Prozent des Haushalts einzusparen...

Corinne Cahen: Ja, wir haben es bereits erreicht. Wir haben unseren Haushalt Artikel für Artikel überprüft und es geht ja nur um die internen Ausgaben. Das Familienministerium hat ja ein enormes Budget, an das wir aber nicht herangehen können, ohne vorher Politik gemacht zu haben. Bei 1,1 Milliarden Kindergeld können wir nicht sparen, ohne vorher politische Entscheidungen getroffen zu haben.

Tageblatt: In manchen Ministerien wurden jetzt Mitarbeiter entdeckt, die ihren Lohn beziehen, ohne zur Arbeit zu gehen...

Corinne Cahen: Wir haben keine Beamten im Schrank sitzen, ich habe das natürlich auch untersucht, konnte aber leider keinen finden (lacht), obwohl ich auch gerne jemanden präsentiert hätte."

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