Interview von Corinne Cahen mit dem Luxemburger Wort

Corinne Cahen: "Ich denke, dass wir die Flüchtlingswelle aktuell auch noch im Griff haben"

Interview: Luxemburger Wort (Laurence Bervard)

Luxemburger Wort: Haben das Integrationsministerium und die Regierung den Flüchtlingszustrom im Griff? Und hatten sie diesen 2016 auch im Griff? 

Corinne Cahen: 2016, ja. Und ich denke, dass wir die Flüchtlingswelle aktuell auch noch im Griff haben. Wir merken aber, dass im Moment wieder sehr viele Menschen hier ankommen. Wir hatten jetzt immer 200 Neuankömmlinge pro Monat, im Januar waren es jetzt 300. Wir haben keinen Platz mehr, die Foyers sind jetzt schon voll. Wenn wir die Menschen zusammenpferchen, riskieren wir, dass sie aneinander geraten und dass sie keine Privatsphäre mehr haben. Wir suchen nach Wohnmöglichkeiten. Aber wir werden im Moment ausgebremst. Im Oktober sind Gemeindewahlen. Niemand will die Flüchtlinge in seiner Gemeinde haben. Zudem dauert die Bau- und Planungsprozedur sehr lange. In Sassenheim konnte das neue Heim innerhalb von sechs Monaten gebaut werden. Die Prozedur lief allerdings bereits seit 2011. Jetzt rennt uns die Zeit davon. 

Luxemburger Wort: Sie sehen also die Gefahr, dass Luxemburg der Situation bei konstant bleibendem Zustrom bald nicht mehr gewachsen ist? 

Corinne Cahen: Das würde ich so nicht sagen. Ich denke, dass wir die Situation bewältigen werden. Ich denke aber, dass es weitere Beeinträchtigungen geben wird. Von Beeinträchtigung redet man beispielsweise in Deutschland, wo Kulturzentren und Turnhallen den Asylbewerbern zum Schlafen zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine Beeinträchtigung, weil Kinder und Erwachsene dann nicht mehr in den Turnhallen Sport treiben können. Ich würde mich zudem bei dieser Lösung unwohl fühlen, weil das nicht dem entspricht, was ich unter einem menschenwürdigen Empfang von Menschen in Not verstehe. Ich weiß aber nicht, wie lange wir einer solchen Situation noch ausweichen können. Das hängt ganz vom Flüchtlingszustrom ab. 

Luxemburger Wort: Wie akut ist das Umwandeln  von Kulturzentren und Turnhallen in Schlafstellen und ist das für die Gemeinden hinnehmbar? 

Corinne Cahen: Das wollen weder die Regierung noch die Gemeinden. Deswegen werden wir alles in die Wege leiten, um das zu verhindern. Ich kann aber nicht garantieren, dass es nicht dazu kommen wird.

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