Interview de Corinne Cahen avec DeLux

"Der Bürger soll sich mit der Großregion identifizieren (...)"

Interview: DeLux (Roger Infalt)

DeLux: Theoretisch gibt es die Großregion wohl, doch wie sieht es in der Praxis aus? Corinne Cahen:

Corinne Cahen: Tagtäglich überqueren rund 210.000 Arbeitnehmer die Grenzen in der Großregion. Hinzu kommen Studierende, Handwerker, Tagestouristen. Das ist gelebte europäische Praxis.

DeLux: Es gibt gefühlte 200 Arbeitsgruppen im Rahmen der Großregion. Warum hört man nichts von deren Arbeit?

Corinne Cahen: Die Arbeitsgruppen leisten wertvolle Arbeit, oft ohne dass dies in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wenn sich beispielsweise Experten zusammensetzen, um eine koordinierte Überschwemmungsprävention auf die Beine zu stellen, dann klingt das nicht aufregend, ist aber dennoch sehr wichtig. Arbeitsgruppen, die sich mit Themen wie Kartografie oder Statistik auseinandersetzen, machen auch keine großen Schlagzeilen, obwohl deren Informationsaustausch grundlegend ist für alle anderen Bereiche. Andere arbeiten in eher übergeordneten, strategischen Feldern wie Mehrsprachigkeit, Silver Economy oder Logistik. Viele Fortschritte werden als gegeben hingenommen, obwohl sie auf jahrelangen, oft schwierigen Abstimmungen basieren: Die Universität der Großregion ermöglicht die Mobilität von Studierenden und Lehrenden, es gibt inzwischen rund 60 grenzüberschreitende Berufsausbildungen, die Taskforce Grenzgänger entwickelt regelmäßig Lösungsvorschläge für juristische und administrative Hürden, es gibt ein solides, rapide wachsendes Angebot an überregionalen Verkehrsverbindungen, Krankenhäuser schicken sich gegenseitig Patienten, um eine bestmögliche Versorgung zu garantieren, Rettungs- und Polizeieinsätze finden grenzüberschreitend statt. Diese Errungenschaften verdanken wir den Arbeitsgruppen, deren Ergebnisse nur nicht oft in der Öffentlichkeit thematisiert werden.

DeLux: Beim Gipfel der Großregion 2014 waren weitere konkrete Schritte zu einer Vertiefung der Zusammenarbeit in der Großregion Gegenstand der Beratungen. Was kann sich der Otto Normalverbraucher darunter vorstellen?Vielleicht einige kurze Beispiele, die zu einer Vertiefung der Zusammenarbeit beitragen sollen können?

Corinne Cahen: Wenn von Vertiefung die Rede ist, dann geht es in erster Linie darum, Prioritäten zu setzen. Die sind nicht bei jedem Partner gleich, aber die gemeinsamen Nenner sind immer Transport, Ausbildung, Sprachen und Arbeit. In diesen Bereichen sind die Herausforderungen bekannt und alle Empfehlungen ausgesprochen. Die müssen jetzt dort umgesetzt werden, wo die Kompetenzen liegen: auf Regierungsebene, wo vor allem bilateral verhandelt wird, und auf EU -Ebene, wo Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Beides geschieht bereits. Auf der Ebene des Gipfels der Großregion wenden wir uns dem zu, was für alle Partner umsetzbar ist: also nicht die internationale Zugverbindung, sondern die überregionale Buslinie; nicht das gemeinsame Unterrichtsprogramm, sondern der zusätzliche Sprachkurs. Denn neben dem Gipfeltreffen sind für den Bürger besonders jene Projekte interessant, die seinen Alltag bereichern.

DeLux: Luxemburg hat den Vorsitz einiger Arbeitsgruppen, so zum Beispiel was die "Raumentwicklung" und auch noch die "Jugend" in der Großregion anbelangt. Kann man dazu etwas Konkreteres in puncto Arbeit und Ziele erfahren?

Corinne Cahen: Luxemburg wird am 1. Januar 2017 für zwei Jahre den Vorsitz des Gipfels übernehmen, und die Vorgaben der Präsidentschaft sind ganz klar Bürgernähe und Partizipation. Es ist uns bewusst, dass wir, um diese Ziele zu erreichen, die Bürger umfassend informieren und Kommunikationsbereitschaft zeigen müssen. Das erreichen wir mit dem Haus der Großregion in Esch, das als Anlaufstelle für die Bürger ausgebaut wird sowie die neue Internetseite, die auf den Nutzer abgestimmte Inhalte weitergibt und zur Teilnahme anregt. Wir werden außerdem originelles Infomaterial erstellen, das sowohl in Schulen, Behörden, Botschaften als auch in Tourismusbüros zum Einsatz kommen kann. Unseren Arbeitsgruppen werden wir diese Vorgaben natürlich mitgeben. Und ich darf Ihnen verraten, dass gerade das Thema Jugend einen ganz zentralen Platz im Präsidentschaftsprogramm einnehmen wird.

DeLux: Was kostet Luxemburg das Konstrukt Großregion jährlich?

Corinne Cahen: Der luxemburgische Beitrag für das Haus der Großregion beläuft sich/auf 100. 000 Euro pro Jahr. Damit werden die vier Arbeitsplätze des Sekretariats der Großregion mitfinanziert. Das Haus der Großregion wird von Luxemburg zur Verfügung gestellt. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion erhält 50.000 Euro pro Jahr. Die Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle (IBA) der Großregion erhält eine jährliche Unterstützung von 30.000 Euro. Des Weiteren hat das Ministerium der Großregion einen Haushalt von 15.000 Euro pro Jahr, mit dem verschiedene, punktuelle Aktivitäten unterstützt werden. Die Großregion arbeitet sehr projektorientiert. Ein Großteil der Kosten für grenzüberschreitende Projekte wird durch das sogenannte Interreg-Programm von der EU mitfinanziert, das 131 Millionen Euro für die Periode 2014-2020 bereitstellt. Das Programm hat seit dem ersten Aufruf weit mehr Anträge erhalten, als es annehmen kann, und selektiert sehr streng. Projekte ohne konkrete Erfolgsaussichten haben keine Chance. Ansonsten darf ich Ihnen versichern, dass jeder Kooperationspartner nur finanziert, was ihm absolut notwendig erscheint und den Interessen seiner Bürger entspricht.

DeLux: Wie sieht für Sie die Zukunft der doch flächenmäßig gesehen sehr weiten Großregion aus?

Corinne Cahen: Das Wohlergehen der Bürger steht im Mittelpunkt, wenn wir von der Zukunft der Großregion reden. Ziel wird es sein, noch intensiver zusammenzuarbeiten, um die Lebensqualität innerhalb der Großregion zu erhöhen. Das betrifft sämtliche Bereiche, vom Transport bis hin zur Ausbildung, dem Krankenwesen oder der Arbeitswelt.Der Bürger soll sich mit der Großregion identifizieren und ihren Mehrwert im Alltag erkennen können.

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